Wien (dpa) - Zero Points go to Germany: Aus Deutschlands bitterster Grand-Prix-Niederlage seit 50 Jahren wollen die Macher Lehren für die Zukunft ziehen.

"Null Punkte sind schon sehr enttäuschend. Wir werden jetzt genau überlegen, wie wir uns auf den ESC 2016 vorbereiten", sagte ARD-Unterhaltungschef Thomas Schreiber zu dem Ergebnis des Eurovision Song Contest (ESC) in Wien in der Nacht zu Sonntag. Zugleich unterstrich er: "Der Auftritt von Ann Sophie war großartig."

Dennoch hatte die 24-Jährige mit dem Titel "Black Smoke" aus keinem Land einen Punkt bekommen. Måns Zelmerlöw ("Heroes") aus Schweden triumphierte - auch dank einer effektvollen Bühnenshow. Wäre es allein nach dem Fernsehpublikum gegangen, hätte Italien mit dem Trio Il Volo und der Arie "Grande Amore" haushoch gewonnen. Doch hievten Expertenjurys die Skandinavier an die Spitze, ihr Votum macht 50 Prozent aus. Deutschland teilt sich mit Österreich das Tabellenende.

Eine Analyse der Abstimmung ergab, dass Ann Sophie einige Male knapp an einem Punkt vorbeischrammte. Dass es nie klappte, lag am TV-Publikum. Während die Jurys in Frankreich, Tschechien, Belgien, Großbritannien, Israel sowie in Finnland Ann Sophie unter den Top Ten sahen, platzierten die Zuschauer sie weit hinten. Alles in allem am schlechtesten wurde Deutschland von Zypern (26. Platz), den Niederlanden, Malta, Italien (jeweils 25. Platz) sowie Griechenland (23. Platz) bewertet. Die größten Sympathisanten Belgien, Dänemark, Ungarn und Polen sahen Ann Sophie im Mittelfeld auf Platz 11.

Der langjährige ARD-Kommentator Peter Urban regte eine Diskussion über das Reglement an. Die Regel, dass nur die jeweils zehn Länder mit den meisten Stimmen Punkte bekämen, stamme aus einer Zeit mit weniger Teilnehmern. Im aktuellen Fall habe das bedeutet, dass bei jedem Voting 17 der insgesamt 27 Teilnehmer automatisch leer ausgegangen seien. "Das ist eine Ungerechtigkeit im System, die man überdenken sollte", sagte Urban, der den ESC in diesem Jahr zum 18. Mal kommentierte, der Deutschen Presse-Agentur.

Der ESC-Experte Irving Wolther forderte eine Neujustierung der deutschen Strategie. "Wichtig ist, dass sich ARD und NDR nicht so stark von Plattenfirmen abhängig machen." Die ARD solle unabhängig von der Branche besonders authentische Künstler mit eigenständigem Profil suchen. "Das wirkt passender", sagte er der dpa.

In Frankreich löste das enttäuschende Abschneiden von Lisa Angell, die mit ihrem Chanson "N'oubliez pas" (Vergesst nicht) an den Ersten Weltkrieg erinnerte, grundsätzliche Kritik am ESC aus. Die Kandidatin selbst erlebte ihren 25. Platz als "Ungerechtigkeit". Die Unterhaltungschefin des Fernsehsenders France 2, Nathalie André, sprach von einer "Maskerade". Man müsse sich die Frage stellen, ob Frankreich im nächsten Jahr wieder teilnehme.

Eine Abstimmungspanne gab es in Mazedonien und Montenegro. Dort wurden allein die Stimmen des TV-Publikums und nicht auch die der Jury gewertet. Das ändere nichts am Gesamtergebnis, versicherten die Veranstalter.

Wien feierte eine Mega-Show vor schätzungsweise 100 Millionen Menschen am Bildschirm. Zur Eröffnung schwebte unter anderem die Vorjahressiegerin Conchita Wurst, von Seilen gehalten, über das Publikum. 

Buchmacher hatten Schweden schon als sicheren Sieger ausgemacht, der rührende Auftritt der Russin Polina Gagarina ("A Million Voices") hatte dann aber zeitweise Zweifel daran geweckt. In der Abstimmung lieferte sich Russland und Schweden ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Schließlich zog der Skandinavier noch souverän vorbei.

Damit wird Schweden im Mai 2016 zum sechsten Mal seit dem Sieg von Abba 1974 mit "Waterloo" einen ESC ausrichten. Ex-Außenminister Carl Bildt meinte: "Nun müssen wir anerkennen, dass Schweden eine Supermacht in Sachen Musik ist." Zuletzt hatte 2012 Loreen mit "Euphoria" den Sieg ins Land geholt.

In Wien hatte die vom ORF organisierte ESC-Woche rund 25 Millionen Euro gekostet. Neben Deutschland war Gastgeber Österreich mit der Band The Makemakes ("I am Yours") das zweite Land, das mit null Punkten bedacht wurde.

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