Internet-Spezialdomains: IETF streitet um .onion, .gnu und andere Technik-Domains

Erst sah es gut aus für die Reservierung der Spezialdomain .onion. Zwar steht die Tor-Domain schon im so genannten Last Call der IETF. Aber bei der Standardisierungsorganisation hat man wenig Lust, sich politischen Streit ins Haus zu holen.

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IETF könnte Tür für technische Spezialdomains wieder zuschlagen
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Monika Ermert
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Die Internet Engineering Task Force (IETF) will eine Reservierung von Spezialdomains wie .onion für Tor und andere Dienste (etwa .bit für Namecoin oder das Gnu Name System .gnu) neu überdenken. Beim 93. Treffen der Standardisierungsorganisation in Prag wurde hart darüber diskutiert, wie man mit den entsprechenden Anträgen umgehen soll.

Für die Reservierung "spezieller Namen" gibt es Präzedenzfälle: Im Jahr 1999 reservierte die IETF die Domains .test, .example, .invalid und .localhost für Testzwecke – das war, bevor die ICANN überhaupt ihre Arbeit aufnahm. In einem Memorandum of Understanding behielt sich die IETF solche "technischen Registrierungen" vor. Doch 2013 etablierte das vom Apple-Ingenieur Stewart Cheshire verfasste RFC 6761 Kriterien für die Reservierung von "Special Names" und verpasst damit der IETF plötzlich eine größere Rolle.

Die Debatte nimmt nun aufgrund der neuen Begehrlichkeiten, bestimmte Domains im DNS für Sonderzwecke zu reservieren, erneut Fahrt auf. Zu den schärfsten Gegnern der Namensvergabe an die Alternativen zum DNS gehört Andrew Sullivan, Chef des Internet Architecture Board. Warum sollte die IETF Namen reservieren, wenn diese genutzt würden, um das DNS zu attackieren und die darauf basierenden Geschäftsmodelle anderer anzugreifen, wetterte Sullivan, der für den DNS-Dienstleister Dyn.com arbeitet.

Im Gespräch mit heise Netze sagte Sullivan, dass der Internet-Standard RFC 6761 eigens geschaffen wurde, um Kollisionen zwischen klassischen Top Level Domains (TLD) und bewusst nicht in der Root-Zone eingetragenen Labels und Spezialnamen zu verhindern. Den RFC 6761 hatte Apple vor Jahren eingebracht, um die TLD .local für interne Adressierung zu reservieren. So hatte die Internet Corporation for Assigned Names and Numbers (ICANN) erst kürzlich die IETF um Schützenhilfe bei der Blockierung von .mail oder .corp gebeten, bei denen man ebenfalls Kollisionen mit intern verwendeten Labels fürchtet.

Während Sullivan das Tor-Label .onion als möglichen Spezialnamen nicht ausschließen mochte, blieb seine Haltung zu .bit oder .gns ablehnend. "Wer ein System eindeutiger Identifier (unique identifiers) einführen will, dem muss ich sagen, das haben wir bereits", sagte Sullivan. Gleichzeitig räumte er ein, dass eine Debatte über die TLD-Vergabe als mögliche Barriere für technische Innovationen geführt werden müsse.

Diese Debatte müsse aber bei der ICANN statt bei der IETF ausgetragen werden. "Vielleicht müsste es eine spezielle Kategorie von TLDs geben, die als technische Innovation von den Gebühren der ICANN teilweise befreit werden können", überlegte Sullivan. TLD-Interessenten mussten zuletzt 180.000 Dollar allein als Bewerbungsgebühren aufwenden.

Die Vorsitzenden der DNS-Operations-Gruppe der IETF haben nun die Einrichtung einer Design-Arbeitsgruppe angekündigt, die den RFC 6761 prüfen soll. Ein Teil der Arbeitsgruppe sieht die TLD-Vergabe als Konkurrenzveranstaltung zur ICANN, die Bewerber anziehen könnte, die vor allem Geld sparen wollen. Doch gibt es auch Gegner, die kritisieren, es gehe nur darum, alternative Bewerber draußen zu halten.

Eine Eintragung in die DNS-Rootzone streben Namecoin und die GNU Community nicht an. Sie wollen ihre Nutzung der Labels .bit und .gnu lediglich dokumentieren, sagte Christian Grothoff, Netzwerkforscher beim französischen Forschungsinstitut Inria. Grothoff, der .bit, .gnu, .i2p und .exit in Prag noch einmal präsentierte, verwies darauf, dass die seit Jahren aktiven p2p-Projekte keineswegs die einzigen seien, die TLDs abseits der ICANN-Vergabe-Verfahren nutzen. Die Geheimdienste verwendeten .nsa und .gchq für ihre Wikis. Weit verbreitet sei auch .lan. "Sollen wir das machen, ohne es zu dokumentieren?" Grothoff hofft nach wie vor auf eine technische Diskussion in der IETF. (ea)